Donnerstag, 14. April 2011

Sendai, das Erdbeben, der Tsunami und ich.

Vor einem Monat und 3 Tagen kam das Unheil über meine gefühlte zweite Heimat in Sendai.

Als ich gegen Mittag am 11.März vom Erdbeben hörte und das möglicherweise hunderte Menschen in und um Sendai gestorben sind, schossen mir die Tränen in die Augen und mein Hals war wie zugeschnürt.
Den ganzen Tag saß ich vor dem Fernseher, hin und her zappend zwischen n.tv und N24, nebenher auf dem Laptop BBC-Stream und den japanischen NHK-Stream schauend. Dazu immer mal wieder alle möglichen bekannten News-Sites aufrufend und nach neuen Informationen abgrasend.

Viel wichtiger war allerdings, dass ich angsterfüllt wartete. Ich wartete darauf, dass mein Thunderbird einen Ton von sich gab und wieder eine Antwort von einem Freund/Bekannten aus Japan kam mit der Nachricht, dass alles in Ordnung ist.
Wie in Trance, war mein erster Reflex nach dem ersten Schock der Meldung über die Katastrophe, an alle die ich in Japan kenne, eine Email auf deren Handys zu senden.
Mit jeder Mail die mich erreichte, kam wieder ein Stück Erleichterung auf, jedoch meldeten sich nur ein Bruchteil direkt am ersten Tag zurück. Einige meiner Studentenfreunde in Sendai hatten sich z.B. in eine der Sporthallen der Universität geflüchtet und harrten dort ein paar Tage aus. Wieder andere waren abgeschnitten von Allem in Vororten von Sendai.
Bis die letzten sich meldeten, ob per Mail oder Facebook, vergingen quälende 6 Tage.

Die gute Nachricht: Von meinen Freunden und Bekannten haben alle überlebt.
Die schlechte Nachricht: Meine Freunde können nicht das selbe von sich behaupten.

Der Tsunami kam bis auf 200 Meter an das Elternhaus einer meiner sehr guten Freundinnen, wegen der ich auch am Meisten Panik hatte. Nicht um sie, da sie nicht mehr in Sendai lebt, sondern ich machte mir Sorgen um ihre Eltern. Die wohnten in der Nähe der U-Bahn Station Rikuzentakasago, die doch schon sehr nah am Meer ist. Glücklicherweise überlebten auch ihre Eltern, da der Tsunami nicht bis an das Haus herankam. Wäre er allerdings rangekommen, hätte es wohl böse geendet, da die Eltern und die auch im Haus wohnende Großmutter, schon älteren Semesters sind und wohl nicht so schnell hätten fliehen können. An die Katastrophe anschließend haben ihre Eltern sogar andere Leute in ihr Haus aufgenommen, die ihr eigenes Haus verloren haben und die einzige Sorge der ersten Zeit danach war, wie lange das Essen für alle im Haus reicht.
Die Nachbarn allerdings hatten nicht so viel Glück. Der Vater der Nachbarfamilie arbeitete wohl in der Nähe des Hafens zur Zeit des Tsunamis und hat nicht überlebt. Auch andere bekannte der Familie hat es erwischt.

Wie wir ja nun alle wissen, ist es nicht bei den paar hundert Opfern geblieben, die am Anfang verkündet wurden. Zählt man bisher geborgene Opfer und vermisste Personen, dann dürften wohl um die 28.000 Menschen gestorben sein. Würde mich aber nicht wundern, wenn sich die Zahl auf 30.000 hochkorrigiert.

Ich persönlich war sogar in einem Haus, das jetzt nicht mehr steht. Einer unserer Professoren hatte uns einmal zu sich nach Hause eingeladen zum Abendessen. Er wohnte in Natori, die Stadt im Süden Sendais, die zur Hälfte geflutet und verwüstet wurde. Da ich ungefähr weiß, wo das Haus stand, kann ich relativ sicher sagen, dass es zerstört wurde. Dazu werfe man nur mal einen Blick auf die aktualisierten Karten von Google Maps.

Um einer Tragödie die Krone aufzusetzen, reichen die 30.000 Opfer natürlich nicht. Nein, es muss auch noch einen Super-GAU geben in Fukushima.
Und wieder bin ich indirekt davon betroffen, denn nur 50km westlich davon liegt die Stadt Koriyama. In Koriyama lebt die Familie eines meiner besten japanischen Freunde, die mich für 2 Tage bei sich nächtigen ließ, im Februar 2010, als ich nach meiner Rückkehr aus Deutschland, von Sendai nach Tokyo reiste, um meine Arbeit zu beginnen.
Mein Freund selbst wohnt jetzt in Sendai, aber seine ganze Familie ist natürlich noch in Koriyama und könnte wohl bald in einer potentiellen erweiterten Evakuierungszone leben. Aber wohin mit den ganzen Leuten...

Immernoch, wenn ich neue Bilder aus Japan sehe, von den Zerstörungen, dem Tsunami und Nachrichten vom AKW in Fukushima, dann spüre ich einen inneren Schmerz und eine Hilflosigkeit, die Seinesgleichen sucht. Teilweise haben meine Freunde in Sendai auch schon Bilder gemacht, mein Freund aus Koriyama reiste mit einem finnischen TV-Team in die Katastrophenregionen der Küste und übersetzte für sie von Japanisch nach Englisch und zurück. Die anonymen Bilder der Nachrichten schocken ja schon, aber wenn man seinen Kumpel mit in den Bildern sieht, wird einem erst bewusst, wie real die ganze Sache ist. Dass dort tatsächlich ganze Städte in Trümmern liegen.

Was kann man also tun?

Ich tue meinen Teil in dem ich spende und an Spendenprojekten teilnehme. In Wiesbaden gaben japanische Studenten der Musikhochschule ein Benefizkonzert und trugen dabei einige Briefe von Japanern aus der Katastrophenregion vor, die ich aus dem Japanischen ins Deutsche übersetzte. Ich werde die Briefe später noch in einem Post in das Blog stellen.

Zudem werde ich einen Teil meines ersten sauer verdienten Gehalts (ja, ich bin kein Student mehr ;) ) spenden und zwar hierfür:
Hochschule RheinMain unterstützt Partnerhochschule in Sendai
Ich bin mal so frei, von der Seite meiner Alma Mater zu zitieren:

Seit vielen Jahren unterhält der Fachbereich Wiesbaden Business School der Hochschule RheinMain eine Austauschbeziehung mit der Tohuku Gakuin Universität in Sendai, einer der größten privaten Hochschulen in der Region. Diese enge und auch persönliche Bindung möchte die Hochschule nun nutzen, um den Norden Japans nach der Erdbeben- und Tsunamikatastrophe an einer ganz konkreten Stelle zu unterstützen. Die Hochschule RheinMain hat ein Spendenkonto eingerichtet. Alle dort eingehenden Gelder werden direkt an das Spendenkonto der Partnerhochschule weitergeleitet.

Zerstörung in SendaiSendai liegt mitten in der Region Tohoku, einer der am stärksten von Erdbeben, Tsunami und den erheblichen Problemen der Atomkraftwerke in Fukushima betroffenen Gegenden. Das Erdbebenepizentrum befand sich nur 130 Kilometer westlich von der Großstadt an der Pazifikküste. Das Wasser des Tsunami drang bis weit in die Stadt vor und hat sehr viel zerstört. Die der Hochschule vorliegenden Berichte zeigen, dass wegen der erheblichen Zerstörungen die Lebensbedingungen in Sendai nach wie vor sehr schwierig sind. Einige Gebäude der Hochschule sind völlig zerstört, so dass die Vorlesungen vermutlich erst im Mai wieder aufgenommen werden können.

Studierende unserer Hochschule denken gerne an die Gastfreundschaft und die großzügige Unterstützung ihres Auslandsaufenthalts in Sendai zurück. Von dieser Großzügigkeit möchte die Hochschule RheinMain nun etwas zurückgeben und ruft daher zu Spenden für die Partnerhochschule auf. Spenden sollen, so ist es mit der Tohuku Gakuin Universität abgesprochen, in erster Linie dafür genutzt werden, Studierende finanziell zu unterstützen, die durch die Naturkatastrophe ihre Eltern und/oder Wohnungen verloren haben oder wegen der furchtbaren Erfahrungen psychologische Hilfe benötigen. Dabei ist einerseits daran gedacht, diese Studierenden finanziell zu unterstützen, und andererseits, ihnen die Studiengebühren zu erlassen. Nur ein sehr geringer Teil der Spenden soll zum Wiederaufbau der durch die Naturkatastrophen zerstörten Gebäude verwendet werden - und das auch nur, wenn unerwartet viele Spenden eingehen.

Wenn Sie sich an der Spendenaktion für die Partnerhoschule in Sendai beteiligen möchten, überweisen Sie Ihre Spende bitte an untenstehendes Konto, aus dem die eingegangenen Mittel auf das Konto der Partnerhochschule in Sendai überwiesen werden.

Die Kontodaten lauten:
Kontoinhaber: Detlev Reymann
, Präsident der Hochschule RheinMain
Konto-Nr.: 47597
BLZ: 510 915 00
Bank: Rheingauer Volksbank
Verwendungszweck: Spende Sendai

Vielen Dank für Ihre Unterstützung!

Spendenaktion läuft sehr gut an

Nur eine Woche, nachdem die Hochschule RheinMain zu Spenden für ihre Partnerhochschule in Sendai aufgerufen hat, liegt der aktuelle Spendenstand bereits bei 2500 Euro.




Falls ihr nun also noch eine sinnvolle Möglichkeit sucht, mit der ihr helfen könnt, hier habt ihr sie. Hier kommt das Geld garantiert an und es stehen keine hundert Organisationen dazwischen, wo das Geld irgendwo versickert.

3 Kommentare:

  1. das du die ganzen medienberichte noch etragen kannst, erstaunt mich... ich habe in sendai zwar nicht gelebt, aber es als sehr sympathische stadt kennengelernt, die ich jedem japanreisenden ans herz gelegt habe. jetzt die gesamte tohouku region in trümmern zu sehen, die ich für sehr spannend und ungleichmäßig unbekannt halte, geht natürlich auch nicht an mir spurlos vorüber, aber ich versuche eine professionelle distanz zu wahren.

    hat die Uni in Sendai eigentlich sein Arbeit wieder aufgenommen? studieren dort auch wieder Austauschschüler aus Deutschland?

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  2. Man muss unterscheiden zwischen der Tohoku University und der Tohoku Gakuin University (Gakuin is privat). Die paar Austauschstudenten an der Tohoku Gakuin wurden nach dem Erdbeben relativ schnell ausgeflogen, sogar organisiert von der deutschen Botschaft.

    Die Graduierungszeremonie, die Ende März hätte sein sollen, ist auch ausgefallen. Also inwiefern da schon wieder normaler Betrieb ist, kann ich nicht sagen.

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  3. hm... kannst du mir Kontakte zu Professoren, Studenten, Menschen der Unis in Sendai vermitteln? UNICUM hat nämlich angefragt, ob ich etwas zu "studieren nach der Katastrophe" machen kann. Ich versuche der dramatischen Formulierung des Titels etwas unaufgeregtes und wahrhaftiges entgegen zu setzten. Wir beide wissen, deutsche Berichte über Japan können das derzeit gut vertragen... Kannst du mir da weiterhelfen? Am Besten ist es, du schreibst mir eine Email: fritz@fotografritz.de

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